Das E-Auto (oder „der Stromer“)
Am 24.11.2022 hab ich meinen neuen Geschäftswagen bekommen. Wie auch die Vorgänger ist er für 36 Monate geleast.
Dieses Auto hat aber als großen Unterschied keinen Auspuff.
Nach 1 1/2 Monaten und ca. 1.800 km Zeit, ein kleines Resumee zu ziehen.
Warum E-Auto?
Dazu gibt es mehrere Gründe:
- Förderung für Geschäftswagen: anstelle 1% Steuer pro Monat auf den Listenpreis nur 0,25%, trotz teurerem Auto mehr auf dem Gehaltszettel
- Umweltgedanke: ich hab mich viel informiert und denke Stand heute, dass ein E-Auto bei meinem Fahrprofil einiges bringt
- als Techniker an Neuem interessiert ist es ein auf 3 Jahre begrenztes Experiment, um Erfahrungen zu sammeln
- Antrieb durch meine Frau: sie gibt Kurse in enkeltauglich und klimafreundlich leben
Wenn ich die Energieversorgung mal ganz weg lasse, ist der Enyaq im Vergleich zum Verbrenner ein geniales Auto.
Fährt sich hervorragend, gut motorisiert, Drehmnoment über den gesamten Geschwindigkeitsbereich, ausreichend Platz, Sitzkomfort und viel elektronischer Schnickschnack, der zum Teil auch sehr sinnvoll und komfortabel ist.
Er schaut gefällig aus und es macht extrem viel Spaß, damit zu fahren!
Mein 2. Auto, erworben im Herbst 1985, war ein Opel Manta (B) GT/E, damals für meine Verhältnisse ein richtiger Feger. 110 PS, elektronische Einspritzung, 195er Reifen, Recaro Sitze, 5-Gang ZF Getriebe, Heckantrieb (driften im Winter 🙂 ), wenn es leicht bergab ging, schaffte der Tacho 220 km/h, der 2. Gang reichte bis 100, der 3. bis 150 km/h.
Damit bin ich unzälige Male über Fernpass und Brenner gefahren, häufig Nachts, wenn die Straßen frei waren. Er war bis heute das „geilste“ Auto.
Der Enyaq ist mit seinen 2,1 Tonnen Gewicht kein Feger, aber der Spaßfaktor ist da und er ist dabei, dem Manta den Rang abzulaufen.
Dass es mit dem E-Auto eine andere Logistik im täglichen Umgang benötigt, war irgendwie schon klar, die Praxis zeigt dann aber doch ein paar Feinheiten.
Die einzelnen Details waren im Grunde alle vorab bekannt, aber gedankliche Vorstellung und tägliche Routine sind doch zwei paar Dinge.
Allgemeines
Für die E-Auto Nutzung sind aus meiner Sicht drei Punkte essentiell:
- dort, wo das Auto viel steht, muss eine Lademöglichkeit vorhanden sein
- das Fahrprofil muss passen (täglich 500 km fahren ist nicht realistisch)
- die Logistik um den Ladevorgang muss bewusst geführt werden, es ist mehr Planung erforderlich
In meinem Umfeld gibt es genug Ladesäulen, der Vorgang dauert aber seine Zeit.
Der Energiegehalt meiner 77 KWh Batterie ist geringer als der 59 Liter Tank des Vorgängers –> öfters laden als tanken.
Ernüchterndes
Sämtliche Anleitungen und Infos zur Lithium-Ionen Batterie empfehlen eine Ladung bis 80%. Im Idealfall wird sie auch nur bis 20% entladen.
Grundsätzlich will ich mich daran halten, das Auto soll nach mir jemanden noch viel Freude machen.
Das ergibt unterm Strich im täglichen Gebrauch doch eine wesentlich reduzierte Reichweite gegenüber den Werksangaben, die man ja ständig im Kopf hat.
Dazu kommt mein E-Auto Einstieg direkt in der kalten Jahreszeit. Wissend, dass dabei die Reichweite noch mal kleiner wird, haben mich die nackten Zahlen trotzdem überrascht.
Des weiteren wird das langsame laden an AC-Säulen empfohlen. Das Schnellladen an DC-Säulen ist natürlich sinnvoll, wenn man eine längere Strecke fährt oder sonst in Zeitnot ist. Die Batterie mag das langsame Laden aber lieber.
Mein Enyaq benötigt, je nach Füllstand, 5-6 Stunden, um die 80% zu erreichen.
AC-Säulen haben meist eine Leistung von 22 KW. Meine Erkenntnisse dazu:
- der Enyaq kann (wie die meisten E-Autos) mit Wechselstrom nur 11 KW laden
- die Säulen liefern nur 11KW, wenn 2 Autos dran hängen
- es wird eine Blockiergebühr verlangt
Grundsätzlich ist die Blockiergebühr sinnvoll. Sie vermeidet, dass ein E-Auto tagelang an derselben Säule steht und kostenlos parkt. Vor einem Einkaufszentrum oder bei sonstigen Ballungegebieten kann ich eine feste Zeit von 2h frei und ab der 3. Stunde die anfallende Gebühr ebenfalls verstehen.
An der Ladesäule hier im Dorf wird die Blockiergebühr nach 180 Minuten verlangt. Also 3h nur den Strom bezahlen, anschließend zusätzlich für den „Parkplatz“. Bei meinem ersten Besuch dieser Säule habe ich für knapp 2h zusätzliche € 11,30 (+MWSt) bezahlt. Ich muss sagen, das steht in keinem Verhältnis zu den ortsüblichen Parkgebühren und vermiest den Spaß am E-Auto vollends. Und meine Batterie benötigte an dem Tag eben 5h Ladezeit. Aus meiner Sicht sollte die Blockiergebühr 15 Minuten nach Ende des Ladevorganges starten, dann darf sie auch gerne teuer sein.
Die Anzeige der Restreichweite ist recht genau, weshalb ich mich bereits in der ersten Woche getraut habe, am Schluss eine Strecke von knapp 70 km zu fahren und mit 44 km Restreichweite an der Ladesäule zu halten.
Das ist auch so eine nachträgliche Erkenntnis: bei einem geplanten Tripp können Fahrstrecke und Batteriestand gut abgeschätzt und das System voll ausgereizt werden.
Steht das Auto mit 40% Ladung vor der Tür und es ist nicht klar, wann und wohin der nächste Ausflug führt, bleibt da erst mal ein ungutes Gefühl. Im Moment denke ich, ich hätte da gerne mehr Puffer.
Im Umfeld Wohnung und Arbeitsplatz hab ich keine Schnelllader, deshalb muss speziell zu Hause die Ladezeit eingeplant werden.
Da in der Batterie weniger Energie steckt als im Tank des Verbrenners, muss öfter geladen werden.
Angenehmes
Die Ladesäulen im Betriebshof sowie auch weitere des örtlichen Energieversorgers werden mit Ökostrom beliefert: Wasser, Wind, Sonne. Wenn ich mit dem Auto fahre, muss kein Erdöl gefördert, transportiert und verarbeitet werden, da habe ich ein gutes Gefühl dabei.
Im unteren Geschwindigkeitsbereich macht der Enyaq keinen Lärm (außer das gesetzlich vorgeschriebene Summen bis 30 km/h), erst ab ca. 80 km/h überwiegen bei den meisten Autos die Reifen- und Windgeräusche. Und ohne Auspuff gibt es auch keine Abgase, keinen Feinstaub und Geruchsbelästigungen.
Der Elektromotor hat bekanntlich ein gleichbleibendes Drehmoment. Während der Turbolader beim Verbrenner erst mal Luft holen muss, zieht der Enyaq schon mit voller Leistung los – im Stadtverkehr und auf der Landstraße ein überagendes Fahrgefühl.
Vorausschauendes fahren, um Diesel zu sparen, hab ich je nach Laune des öfteren mit gutem Erfolg praktiziert.
Mit dem Enyaq bekommt das noch mal 2 zusätzliche Aspekte:
- E-Autos „segeln“, wenn man den Fuß vom Fahrpedal nimmt, denn weder Getriebe noch Motor hemmen die Vorwärtsbewegung
- E-Autos rekuperieren Energie, wenn man das Bremspedal sachte bis normal betätigt
Um das „Segeln“ optimal auszunutzen, benötige ich noch etwas Fahrpraxis. Das Zurückspeisen von Bremsenergie in die Batterie hingegen klappt wunderbar und gibt ebenfalls ein gutes Gefühl sowie mehr Reichweite.
Der Enyaq ist mit allerlei Assistenten ausgestattet (die gibt es selbstverständlich auch für Verbrenner), die für mehr Sicherheit und auch Komfort beim Fahren sorgen.
Ein E-Auto benötigt eine Heizung, da kein Motor vorhanden ist, dessen Abwärme genuzt wird. Das sorgt auch dafür, dass im Winter weniger Reichweite bleibt, da ein Teil der Energie in die Heizung fließt. Der Vorteil dabei ist, dass eine Standheizung vorhanden ist, die man nicht extra bestellen muss.
Den Enyaq hab ich so eingestellt, dass die Heizung beim Öffnen der Tür gleich startet. Ebenso schalten sich die Sitzheizungen vorne (und die Lenkradheizung) ein, sobald jemand drauf sitzt.
Das ist jetzt im Winter einfach genial. Es kommt sofort warme Luft aus den Düsen, die Scheiben sind schnell frei, Komfort pur!
Der Diesel hat bei den 11 km zur Arbeit, das Meiste davon bergab, erst nach 9 km ein laues Heizungslüftchen erzeugt.
Die Innenraumtemperatur stellen wir deshalb aktuell auf 18°C ein, den Rest machen die Sitzheizungen (auch für die zwei äußeren Sitze in der 2. Reihe).
Die Krönung ist die App, mit der ich den Timer für die Abfahrtszeit sogar extern setzen kann. Dann fängt das Auto 15 Minuten vorher an, alles aufzuwärmen.
Die App am Smartphone ist auch sonst sehr nützlich, sie bietet unter anderem:
- Anzeige Batteriekapazität und Restreichweite
- Dauer und Ende eines Ladevorganges
- ist das Fahrzeug verriegelt und sind die Fenster geschlossen
- starten / stoppen der Klimatisierung
- eventuelle Fehler des Systems
- Standort, wenn ich das in den Einstellungen erlauben würde
Technisch ist die App aber eher eine Krücke, die nicht immer zuverlässig funktioniert. Das hat der VW-Konzern noch nicht so recht im Griff.
Der Fahrersitz ist elektrisch verstellbar und hat drei Memory-Positionen. Das Gefummle, bis ich wieder richtig sitze, wenn vorher ein anderes Familienmitglied gefahren ist, ist vorbei.
Die Handy-Ladeschale finde ich auch sehr praktisch, einfach reinlegen und es wird geladen, ohne jedesmal das Kabel anzuschließen.
Vorne und hinten gibt es je 2 USB-C Anschlüsse, die Strom liefern.
Hinten gibt es eine 230 Volt Steckdose, um kleine Verbraucher zu betreiben (Campingkühlschrank, Notebook, Tablet usw.)
Ich hab mir auch das Panorama-Schiebedach gegönnt, das im Sommer sehr angenehm ist (kenne ich vom Alhambra).
Der E-Motor leistet 150 KW, und das aus dem Stand, was die 2,1 Tonnen in 8,5 Sekunden auf 100 bringt. Das ist ordentlich und für mich vollkommen ausreichend.
Bei 160 km/h ist Schluss, es wird abgeregelt. Im ECO-Modus fährt der Enyaq maximal 130 km/h.
Die Reifen sind noch so eine Sache. Laut Hersteller notwendig, um die Leistung auf die Straße zu bringen, aber in der Anschaffung kein Pappenstiel. Die 4 Winterräder haben ca. € 900.- gekostet, und es waren nicht die teuersten.
Größe: 19 Zoll, vorne 235 und hinten 255 breit.
In der Stadt einkaufen hat auch einen neuen Aspekt. Ich suche mir eine Ladesäule in der Nähe des Zielgebietes, habe einen Parkplatz und fülle gleichzeitig die Batterie auf. Solange ich unter der Zeitspanne der Blockiergebühr bleibe, nur Vorteile.
Ob ich mehr im Modus „segeln“ mit Assistent oder im Modus „One-Pedal-Driving“ fahren werde, hab ich noch nicht entschieden.
Was stört
Wenn das zentrale Display (das sogenannte Infotainment) startet, will es immer mit einem Tipp auf „OK“ bestätigt werden. Es kann wohl mit einer PIN zusätzlich gesichert werden, wenn man das aber nicht will, ist die Bestätigung komplett überflüssig.
Einige Assistenten sind bei jedem Start automatisch an.
Mindestens der Lane-Assist nervt aber. Auf unseren kleinen Landstraßen gibt es oft keine Mittellinie, häufig fehlen auch die Seitenlinien. Der Assistent ruckelt dann ständig am Lenkrad, da die Bedingungen wechseln und die Kamera keine Anhaltspunkte findet.
Der Enyaq hat bis kurz vor Weihnachten laut Bordcomputer 22 KWh Strom pro 100 km verbraucht.
Dann wurde es etwas wärmer, der Verbrauch liegt bei ca. 20 KWh.
Im Sommer sollte das auf 17 KWh sinken.
Energiekosten pro 100 km mit 20 KWh gerechnet:
Ladesäule im Dorf: 0,384 * 20 = + MWSt. = € 9,14
Ladesäule ab 1.2.2023 0,49 * 20 = + MWSt. = € 11,66
Hausanschluss bis 2022 0,32 * 20 = € 6,40
Hausanschluss ab 2023 0,48 * 20 = € 9,60
Schnellader 1 0,60 * 20 + MWSt. = € 14,28
Schnellader 2 0,80 * 20 + MWSt. = € 19,04
Wenn jemand eine eigene Photovoltaik am Dach hat, kann man mit einem Richtwert von 13 Ct/KWh rechnen (Anschaffungs- und Betriebskosten gegengerechnet zum Strompreis)
Damit kann man für € 2,60 100km weit fahren.
Der Zafira schluckte im Durchschnitt 6,8 Liter pro 100 km, wobei bei den Kurzstrecken zur Arbeit auch mal 8 Liter und mehr verbraucht wurden.
Diesel Preis heute ca. € 1,80
bei 6,8 Liter = € 12,24
bei 8 Liter = € 14,40
Bei den aktuellen Strompreisen 2023 schrumpft der E-Vorteil sehr stark.
E-Auto und die Klischees
Bei der Produktion von Autos werden sehr viele Ressourcen verbraucht. Seltene Rohstoffe sitzen auch im Katalysator des Verbrenners, und natürlich in der Batterie.
Interessant finde ich die Tatsache, dass der Produktionsort der Batterie einen großen Einfluss hat. Z.B. wird in Nordchina Energie für Produktion hauptsächlich aus Kohle gewonnen, im Süden des Landes nicht. Eine in Europa produzierte Batterie hat weniger CO2 Rucksack als die aus dem fernen Osten.
E-Autos sind zu teuer. Ja, man sollte aber auch die wesentlich geringeren Betriebskosten mit einrechnen. Viel weniger Verschleißteile und Flüssigkeiten im System und je nach Stromversorgung günstiger auf 100 km. Je mehr E-Autos produziert werden, desto günstiger werden sie.
Die Batterie hält nicht lange. Hier benötigt es natürlich noch mehr Langzeiterfahrung, stand heute kann man aber mit einer einigermaßen gepflegten Batterie 150.000 km fahren.
Das Recycling läuft auch langsam an. Bis jetzt war das mangels Masse noch nicht rentabel.
Es gibt zu wenig Ladesäulen. Nun, es gibt bestimmt Gegenden, wo das so ist. In meinem Umfeld kann ich mich nicht beklagen. Die Menge an E-Autos und Ladesäulen ist ständig am Wachsen, da gibt es natürlich auch mal Engpässe oder Überschüsse.
Wir haben nicht genug Strom, um alle E-Autos zu versorgen. Stimmt, heute gerade nicht, aber heute haben wir auch nicht 48 Millionen E-PKWs in Deutschland. Das ganze kann nur langsam wachsen.
Ich bin auch der Meinung, dass nicht für alle Fahrprofile ein E-Auto passt, deshalb sollten die Verbrenner weiter angeboten werden.
Und E-Autos sind auch nicht die Lösung unserer Verkehrs- und Umweltprobleme. Hier ist das einzig Ware, gar kein Auto zu benutzen.
Ich bin mir aber sicher, dass das E-Auto umweltfreundlicher ist, als der Verbrenner.
Das erste Fazit nach der kurzen Zeit: da alles noch neu und zu entdecken ist, stört mich das öfter mal Strom laden nicht. Die normale Routine wird sein, dass das Auto hauptsächlich im Firmenhof geladen wird. Jetzt über die Feiertage war das eher die Ausnahme.
Das Fahren mit dem Enyaq ist jedefalls cool und angenehm, ein klasse Auto.